Die Rede wird von
einem Vertreter der fiktiven Zygos-Bankengruppe in Frankfurt vor Demonstranten
der deutschen Occupy-Bewegung gehalten, die seit Wochen das Bild des urbanen Finanzviertels
prägen, mit dem Auftrag, das sich im freien Fall befindende Image der Banken zu
retten und die Aktivisten dazu zu bringen, Ihre Publicity-schädigenden Blockaden
zu stoppen und ihre Zelte abzubrechen. Die Rede wird permanent von lauten
Buhrufen begleitet.
99 Prozent auszumachen, ist nicht genug
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu
allererst möchte ich mich vielmals für die Möglichkeit, welche mir gewährt
wurde, bedanken: hier vor Ihnen zu sprechen erlaubt mir endlich das seit Wochen
anhaltende Schweigen der Finanzinstitute im Hinblick auf die hier von statten
gehende Bewegung zu brechen.
endlich bietet sich uns die Gelegenheit,
gemeinsam die Probleme der Banken zu lösen!
Meine werten Anwesenden, es ist nicht von
der Hand zu weisen, dass der Kapitalismus sich in der tiefsten Krise seit 1929
befindet. Doch sollten wir, die sich alle hier gemeinsam versammelt haben und
sich dieses Problems durchgängig bewusst sind, nicht lieber gemeinsam der Lösung
des Problems widmen anstatt der romantischen Vorstellung zu verfallen, in einer
Welt zu leben, in der man sich der Bindung von Märkten entledigen könne?
Sie werden mir zustimmen, wenn ich
eingestehe, dass es in den vergangen Jahren massive Fehlentwicklungen im
Bereich der sozialen Gerechtigkeit gab. Auch unsere Branche kann und wird sich
nicht anmaßen, zu behaupten wir wären davon ausgenommen. Auch unsere Branche
ist nicht frei von Gier, Rücksichtslosigkeit und Unersättlichkeit. Doch bei
aller in gewissem Umfang sicherlich berechtigten Kritik, bitte ich Sie nicht zu
übersehen, dass ein Umdenken bei den verantwortungsvollen Geldinstituten
bereits eingesetzt hat. Dies ist auch der Grund, weshalb die Vorstandsetage der
Zygos dieses Quartal freiwillig auf jegliche Bonuszahlungen und
Diätenerhöhungen verzichten wird. Wir hoffen mit diesem Schritt ein Zeichen zu
setzen und eine Vorreiterrolle und Vorbildfunktion einzunehmen.
Dennoch, und ich schrecke nicht davor
zurück, damit die Missgunst einiger hier zu ernten: Die Zygos-Bankengruppe wird
nicht von ihrer Position abweichen, Forderungen wie ein bedingungsloses
Grundeinkommen als Tagträumereien abzutun! Es bringt niemandem etwas, sich
hinter idealistischen Illusionen, deren Durchführbarkeit indiskutabel ist, zu
verstecken.
Sehr geehrte Anwesende, die von Ihnen und Ihren
Mitstreitern propagierten Parolen, sie Seien die 99 Prozent, mögen zwar je nach
Blickwinkel durchaus Hand und Fuß haben, dennoch erachte ich es als essentiell das
eine Prozent nicht zu übergehen und sehe es als erfolgsversprechender an, mit
den von Ihnen viel gescholtenen in einen Dialog zu treten. Auch wenn ich
natürlich jedem Bürger das uneingeschränkte Recht zugestehe, seinem Ärger durch
gewaltfreie Protestaktionen Luft zu machen, wird mir niemand widersprechen,
wenn ich zu bedenken gebe, dass es einem gerechteren Zusammenleben zuträglicher
wäre, wenn der Fokus auf Lösungsvorschlägen anstelle von plumpen
Anschuldigungen läge!
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie
mich zum Ende noch eines anmerken: Ich bewundere Sie! Menschen wie Sie sind es,
die unser Land nach vorne bringen. Menschen mit Ängsten, Visionen und dem Mut
für eine Sache einzustehen. Erlauben Sie mir, deshalb noch einmal an Ihre
Vernunft zu appellieren. Anstelle von Aufspaltungen in Prozente sollten wir
gemeinsam in hundertprozentiger Einigkeit an der aufregenden, anspruchsvollen
und bedeutenden Aufgabe arbeiten eine wirtschaftlich stabile und sichere Welt
für unsere Kinder zu erschaffen.
Ich bedanke mich herzlichst für Ihre
Aufmerksamkeit!